Über die Nichtöffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen

21. Juni 2021

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Uwe G. Kranz

Art. 52

Öffentlichkeit

(1) 1Zeitpunkt und Ort der Sitzungen des Gemeinderats sind unter Angabe der Tagesordnung, spätestens am dritten Tag vor der Sitzung, ortsüblich bekanntzumachen.2Ausnahmen bedürfen der Genehmigung des Gemeinderats.

(2) 1Die Sitzungen sind öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche einzelner entgegenstehen.2Über den Ausschluß der Öffentlichkeit wird in nichtöffentlicher Sitzung beraten und entschieden.

(3) Die in nichtöffentlicher Sitzung gefaßten Beschlüsse sind der Öffentlichkeit bekanntzugeben, sobald die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind.

(4) Die Sitzungen haben in einem der Allgemeinheit zugänglichen Raum stattzufinden.

  1. Ortsübliche Bekanntmachung, Art. 52 I GO

Gemäß Art. 52 I Satz 1 GO sind Zeitpunkt und Ort der Sitzungen des Gemeinderats unter Angabe der Tagesordnung spätestens am dritten Tag vor der Sitzung ortsüblich bekannt zu machen.

Art. 52 I  Satz 1 GO stellt eine bloße Ordnungsvorschrift, ein Beschluss wird aufgrund eines Verstoßes nicht ungültig.

  1. Öffentlichkeit der Sitzung, Art. 52 II GO

(1) Nach Art. 52 II Satz 1 GO sind die Sitzungen grundsätzlich öffentlich, da ein freier Zugang zu den Gemeinderatssitzungen gewährleistet sein muss. Ein Verstoß ist beachtlich. (Die Gegenansicht vertritt, dass ein Fehler nicht beachtlich ist, da es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt (siehe Bauer/ Böhle/ Ecker, Bayerisches Kommunalrecht, Art. 52 GO Rn. 1). Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist aber grundlegend in einem Rechtsstaat.) Art. 52 II Satz 1 GO wird nur insofern eingeschränkt, als die Sitzungen öffentlich sind, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche Einzelner entgegenstehen. Das kann bei Personalangelegenheiten gegeben sein oder wenn über wirtschaftliche oder persönliche Verhältnisse eines Einzelnen im Gemeinderat gesprochen wird.

(2) Über den Ausschluss der Öffentlichkeit wird gemäß Art. 52 II Satz 2 GO in nichtöffentlicher Sitzung beraten und entschieden.

(3) Ein nichtöffentlicher Beschluss ist nach Art. 52 III GO bekannt zu geben. Ein Verstoß ist jedoch unbeachtlich, da es sich um eine bloße Formvorschrift handelt.

Bezogen auf den Bereich, den wir hier näher betrachten wollen, erleben wir ein ständig nachlassendes Interesse am allgemeinen politischen Geschehen, dokumentiert durch die rückläufige Wahlbeteiligung, demgegenüber aber ein sehr viel kritischeres und gezielteres partielles Interesse bei Einzelthemen, wenn man unmittelbar davon berührt oder gar betroffen ist. Da will man nicht nur wissen, was ist, sondern auch, warum das so ist. Man will Bescheid wissen über Gründe und Hintergründe, über Zusammenhänge und Abläufe.

Wir sehen uns heute Bürgern gegenüber, die dort, wo sie interessiert sind, selbstbewusster auftreten. Oder, um in unserem politischen Sprachgebrauch zu bleiben: Wir erleben den mündigen Bürger, den wir uns verbal immer gewünscht haben. Aber wenn er dann tatsächlich in Erscheinung tritt, tun wir uns oft noch schwer mit ihm.

Nicht nur im Verhältnis zur Presse müssen wir uns immer bewusst sein: Transparenz ist ein Wesenselement der Demokratie.

In einer Verordnung der Europäischen Union zum Informationsrecht der EU-Bürger vom Mai 2001 (VO Nr. 1049, Amtsblatt der europ. Gemeinschaften vom 31.05.2001, S. 1) liest sich das so:

„Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System. Transparenz trägt zur Stärkung der Grundsätze der Demokratie und der Achtung der Grundrechte bei.“

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat das in der jüngst getroffenen Entscheidung zum Thema Presseauskunft (Beschluss vom 13.08.2004 Nr. 7 CE 04.1601) mit folgender Formulierung auf den Punkt gebracht:

„Die freiheitlich-demokratische Grundordnung bedingt ein Verhalten der Behörden, das in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse von Offenheit geprägt ist. Dem Bürger müssen diese Angelegenheiten dadurch durchsichtig gemacht werden, dass der Presse genaue und gründliche Berichterstattung ermöglicht wird.„

III. Informationsanspruch der Bürger

Von den speziellen Informationsansprüchen, die Ratsmitglieder haben müssen, wenn sie ihr Mandat uneingeschränkt ausüben sollen, sind zu unterscheiden die Informationsrechte, die den Bürgern – genauer gesagt nicht nur diesen, sondern der Öffentlichkeit insgesamt – zustehen.

  1. Öffentliche Sitzungen

Bezogen auf die Entscheidungsprozesse in den Vertretungsorganen ist immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass diese – hergeleitet aus dem Demokratieprinzip – grundsätzlich öffentlich stattzufinden haben (Art. 52 GO). Nach wie vor besteht eine vielfach zu beobachtende Neigung, allein mit dem Hinweis auf eine ungestörte Beratung oder aus Scheu vor einer kritischen Öffentlichkeit hinter verschlossene Türen zu beraten und zu entscheiden.

Die unzulässige Praxis wird dadurch befördert, dass ein Verstoß gegen das Grundprinzip der Öffentlichkeit keine Folgen für die Gültigkeit der Beschlüsse hat und auch die Rechtsaufsichtsbehörden kaum Veranlassung sehen, dagegen einzuschreiten – was sie unter dem neuerdings geltenden Opportunitätsgrundsatz auch nicht mehr müssen.

Die Rechtslage ist gleichwohl eindeutig: Der Regelfall ist die öffentliche Sitzung. Die Behandlung in nicht öffentlicher Sitzung ist die Ausnahme und bedarf damit der gesonderten Begründung und nicht umgekehrt. Die typischen Fälle, bei denen diese Begründung ohne weiteres gegeben ist, sind bekannt: Grundstücksgeschäfte, Personalangelegenheiten, Abgabenvorgänge (Widerspruch, Stundung, Erlass).

Die Geheimhaltung gilt aber auch hier nur, solange es dafür sachliche Gründe gibt. Das Gesetz sieht ausdrücklich vor (Art. 52 Abs. 3 GO), dass nach Wegfall des Geheimhaltungsgrundes die Beschlüsse bekanntzugeben sind. Eine Vorschrift, die in der Praxis ziemlich regelmäßig mißachtet wird, sei es bewußt oder aus Nachlässigkeit. Wenn ein Grundstücksgeschäft gelaufen ist, gibt es keinen Grund mehr, dieses der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Wenn die Einstellung eines Mitarbeiters beschlossen ist, darf das auch die Öffentlichkeit wissen.

Für die Nichtöffentlichkeit auch in Angelegenheiten, die einer öffentlichen Behandlung zugänglich wären, wird oft angeführt, dass ohne Publikum die Beratung erleichtert wird und unbefangener möglich ist. Dagegen ließe sich anführen, dass ein Ratsmitglied schon die Statur haben sollte, seine Meinung auch vor der Öffentlichkeit zu vertreten.

Problematisch und nicht mehr mit dem Sinn des Gesetzes vereinbar wird es auf jeden Fall dann, wenn in der öffentlichen Sitzung weitgehend auf die nichtöffentliche Beratung Bezug genommen wird, ohne dass diese nochmals öffentlich reflektiert wird. Damit ist die Entscheidungsfindung für die Öffentlichkeit nicht mehr nachvollziehbar. Wohl auch aus diesen Erwägungen heraus enthält das Geschäftsordnungsmuster des Bayer. Gemeindetags nicht mehr den früheren Vorschlag, dass vorberatende Ausschüsse generell nichtöffentlich tagen. In der Praxis ist das wohl noch vielfach der Fall. Man sollte das schon einmal überdenken.

  1. Einsicht in die Sitzungsunterlagen

Einen Anspruch auf Einsicht in die Sitzungsunterlagen haben Zuhörer der öffentlichen Ratssitzungen generell nicht. Diese dienen explizit nur der Vorbereitung der Ratsmitglieder.

Wenn allerdings die Beratung in öffentlichen Sitzungen weitgehend auf der Grundlage von Sitzungsunterlagen stattfindet, die nur die Mitglieder vor sich haben, mag es für die Zuhörer mitunter schwierig werden, der Diskussion zu folgen. Das ist dann eigentlich nicht mehr im Sinne ihres Teilnahmerechts.

Von daher empfiehlt es sich schon, die heute vorhandenen Präsentationsmöglichkeiten (Overhead, Beamer) zu nutzen, wenn man die Zuhörer wirklich teilhaben lassen will. Aufpassen muss man dann allerdings, wenn in den Vorlagen personenbezogene Daten enthalten sind. So dürfen zum Beispiel Baupläne privater Bauvorhaben nicht so ausgehängt oder präsentiert werden, dass für die Zuschauer der Sitzung auch die Lage und Größe der Zimmer oder die Baukosten erkennbar sind.

In diesem Kontext ist dann vielleicht auch die jüngste Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Aug. 2004 nicht mehr so erschreckend….Was die Sache im Vollzug so schwierig zu machen scheint, ist die Feststellung des Gerichts, dass der Hinweis auf die Behandlung in nichtöffentlicher Sitzung allein noch keine Auskunftsverweigerung gegenüber der Presse rechtfertigt. Das war bisher in vielen Fällen der bequeme formale Weg, um sich einem Auskunftsverlangen zu entziehen. Dieser Weg ist jetzt verbaut.

Art. 52 Abs. 2 GO ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nur eine reine Verfahrensvorschrift für die Vorgehensweise des Gemeinderats. Wenn der Gemeinderat nichtöffentlich entscheidet, ist das lediglich ein Indiz dafür, dass Geheimhaltung geboten ist. Entscheidend für den Auskunftsanspruch der Presse ist aber letztlich die materielle Rechtslage. Wenn eine Auskunft verweigert wird, müssen daher die sachlichen Gründe mitgeteilt werden.

Im konkreten Fall, der ja nicht so einmalig ist, hat das Gericht daher festgestellt, dass der Presse bekannt zu geben sind die Zahl, die Namen und die Funktionen der Mitarbeiter einer Gemeindeverwaltung. Bis dahin ist das kaum aufregend, weil das heute ohnehin oft schon im Internet nachzulesen ist. Allerdings muss sich die Presse nicht darauf verweisen lassen, selbst nachzulesen, sondern sie kann verlangen, dass sie diese Angaben geliefert bekommt. Uns muss klar sein: Nicht allein die Presse läßt uns in Politik und Verwaltung nicht mehr durchgehen, dass wir Informationen ohne rechtlich schlüssige Begründung vorenthalten. Desgleichen pochen auch die selbstbewußter gewordenen Ratsmitgliedern und eine kritischer gewordenen Öffentlichkeit auf ihre ihnen gesetzlich garantierten Ansprüche.

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