BS Dezember 2018
soll das Emirat Katar Terroristen für die Freilassung von 26 Männern im April 2017 gezahlt haben. Das wäre die höchste jemals gezahlte Lösegeldsumme in der Welt.[1] Darüber hinaus soll aber auch die Entlassung von 500 Gefangenen aus syrischen Gefängnissen in die Rebellengebiete Teil der Vereinbarungen gewesen sein. Diese waren überwiegend wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt worden. Selbst der sogenannte „four-towns-deal“ soll auf Betreiben von Katar zustande gekommen und Gegenstand der Vereinbarung zur Freilassung der Geiseln gewesen sein. Dabei handelte es sich um eine Vereinbarung, die rund zweijährige Belagerung der von Regierungstruppen gehaltenen, überwiegend schiitischen Städte Fuah und Kefraya durch Rebellen und Terroristen, sowie die von Rebellen/Terroristen gehaltenen, überwiegend sunnitischen Städte Madaya und Zabadani durch Regierungstruppen zu beenden und Tausende der jeweils andersgläubige Bewohner zwangsweise umzusiedeln.[2]
Das Lösegeld floss u.a. an die irakische pro-iranische Kata’ib Hezbollah, an die libanesische pro-iranische Hezbollah-Miliz und an die syrische Terrorgruppe Hayat Tahrir al-Sham, vor ihrer Vereinigung mit anderen Terrorgruppen bekannt als die al-Nusra Front. Derart umfangreiche Tribute und Konzessionen an Terrorgruppen sind nur schwer verständlich, daher eine etwas umfangreichere Fallschilderung:
Die Kidnapper waren die schiitische, im Irak operierende Terrorgruppe Kata‘ib Hezbollah, die vom Iran gesteuert, ausgebildet, finanziert und logistisch unterstützt werden. Am 16.06.2015, morgens um 03.00 Uhr, überfielen sie mit rund 100 Kämpfern eine katarische Jagdgesellschaft, die sich mit offizieller Genehmigung im Süden Iraks, in der Provinz Muthanna, mit Falken auf der beliebten Trappenjagd befand.[3] Unter den Jagdteilnehmern befanden sich auch neun Prinzen der das Emirat Katar regierenden königlichen Familie Al Thani. Höchst offizielle und mehrfache Warnungen, zuletzt sogar einen Tag vor der Entführung, als katarische Sicherheitsdienste die aktuellen GPS-Daten der Jagdgesellschaft auf einem mysteriösen Blog eines Irakers entdeckten, wurden ignoriert.
Die Geiselnehmer dagegen waren gut informiert und vorbereitet. Sie hatten Listen dabei mit den Namen besonders „gewünschter“ Geiseln (vor allem der Namen der Prinzen), die sie von Zelt zu Zelt „abarbeiteten“. Die 26 Geiseln boten ihr ganzes Bargeld, mehrere Hunderttausend Dollar, für ihre Freilassung an, jedoch vergeblich: Sie waren als Pfand für geopolitische Ziele gefangen genommen und verschleppt worden, Ziele, die an Staatsterror und ethnische Säuberung grenzen und die letztlich dem Hauptziel Teherans dienen sollten, Irak, Syrien, Libanon und den Jemen zu Satellitenstaaten Irans zu machen und eine schiitische Achse gegen die dominanten sunnitischen Staaten in der Region zu etablieren.
Um seine Geiseln zurück zu erhalten, mühte sich Katar in der Folge intensiv, gemeinsam mit Syrien den vom Iran, der Hisbollah und den Rebellengruppen geforderten, sogfältig choreographierten Bevölkerungsaustausch in den vier Städten und die geforderte Freilassung der gefangenen Terroristen zu verhandeln. Gleichzeitig musste mit den terroristischen Unterhändlern die Lösegeldsumme verhandelt und dessen Tarnung als Aufbauhilfen für Syrien für den angeblichen Bau eines neuen Hafens und einer Botschaft werden. Keine leichte Aufgabe.
Eine führende Rolle als Unterhändler nahm der schon berüchtigte Generalmajor der iranischen Al Quds Brigade der Revolutionsgarde, Qassem Soleimani, ein, der als einflussreichster und gefährlichster Mann des Mittleren Ostens gilt. Er war es, der schon vor Jahren versuchte, das symmetrische „Evakuierungs-Agreement“ für die vier syrischen Städten durchzusetzen, um die iranische Einflusssphäre zu stabilisieren. Mit den Geiseln und dem Geld für die sunnitischen Rebellen und die vielen anderen in den Deal involvierten Mittelsmännern, konnte dieser Plan endlich in die Wirklichkeit umgesetzt werden.
Für Katar war diese Terror-Finanzierung aber der berühmte Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte. Schon lange beobachteten die Saudis, die Emirate und Ägypten mit höchstem Argwohn und Verdruss die fortlaufende und erhebliche Unterstützung der Muslimischen Bruderschaft und anderer terroristischen Gruppierungen durch Katar. Diese einmalige, gigantische Terror-Finanztransaktion gab vermutlich den letzten Anstoß für den Abbruch der diplomatischen Beziehungen und die Wirtschafts- und Verkehrs-Blockaden von Katar, die von Saudi-Arabien, Bahrein, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten am 05.06.2018 verkündet und unverzüglich umgesetzt wurden.[4]
Diese Geiselnahme sollte aber auch Anlass sein, die Rolle Irans im globalen Terrorismus näher zu beleuchten.
Dass die Iranische Revolutionsgarde (IRGC) seit vielen Jahren terroristische Organisationen wie die Hamas im Gazastreifen (obwohl sunnitisch), die schiitische Hisbollah im Libanon, den Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) auf der Sinai-Halbinsel ist allseits und seit langem bekannt. Diese Gruppen haben schließlich gemeinsam mit dem Iran das große Ziel, Israel zu vernichten und einen schiitischen Korridor vom Iran bis zum Mittelmeer zu schaffen. Auch die schiitischen Milizen im Irak und in Syrien werden vom Iran unterstützt, oder die Houthi-Rebellen im Jemen, gemeinsam mit Nord- Korea. Die Unterstützung erfolgt finanziell und logistisch, vor allem durch Waffenlieferungen. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass das langjährige Total-Embargo der USA (2012) und die Teil-Embargos der UNO (2006) und der EU (2012) geradezu kontraproduktiv zur Ertüchtigung Irans zum weltweit bedeutsamen Produzenten und Lieferanten von Kriegswaffen führte.[5]
IRAK:
Seit dem Sturz Saddam Husseins im Irak und dem (militärischen!) Sieg über den Daesh, versucht der Iran kontinuierlich seinen vielleicht wichtigsten Nachbarn Irak in sein schiitisch-geopolitische Zukunftsgebilde, den „schiitischen Halbmond“, einzubinden. Zunächst geschah dies durch eine rein wirtschaftliche gemeinsame Energiepolitik, denn schließlich sind beide Staaten sozusagen Großmächte auf dem Feld der Öl- und Gas-Produktion.
Durch die langjährige iranische Unterstützung der 1.200-Mann starken irakischen Badr Brigaden ebenso wie der „Popular Mobilization Forces“ (PMF), die den Kampf gegen den Daesh im Norden Iraks, insbesondere in den Provinzen Kirkuk oder Niniveh, nicht zuletzt durch finanzielle Hilfe, Waffenlieferungen und Ausbildung, aber auch durch US-militärische (Luft-) Unterstützung gewannen, wuchs der Einfluss Irans, wie erwartet aber auch zunehmend auf die gesamten irakischen Sicherheitskräfte.
Der Iran versuchte aber auch, die schiitischen Kräfte im Irak, vor allem im Süden zu stärken und dort seinen politisch-religiösen Einfluss zu mehren. Über 60% der Iraker sind schließlich schiitischen, nur rund 30 % sunnitischen Glaubens. Die nach dem Sturz Husseins ausgebrochene Unterdrückung der Schiiten unter Premierminister Al-Maliki ist unter seinem Nachfolger, Premierminister Haidar al Abadi, nahtlos durch die Unterdrückung der Sunniten ersetzt worden – übrigens mit der fatalen Folge, dass diese sich nach 2014 zunehmend dem Daesh zuwandten, der bis heute noch verheerende Terroranschläge im Irak begeht.
Erschwerend kommt hinzu, dass die schiitischen Kräfte unversöhnlich in zwei Lager gespalten sind, die sich auch im neugewählten Parlament trotz ihrer Mehrheit von 165 Abgeordneten[6] uneins sind und die Regierungsbildung monatelang erschweren: Die Muqtada Al-Sadr-Fraktion wird vom ex-PM Abadi unterstützt und will den Einfluß Irans verringern. Die Al-Maliki-Fraktion wird von Hadi al-Amiri, dem Kommandeur der Population Mobilization Forces, unterstützt, die wird vom Iran ferngesteuert und unterwandert und sogar von HisbollahKommandeuren ausgebildet werden! Der Irak ist unter (politischem) Druck von allen Seiten, insbesondere von den USA, dem Iran und dem Daesh. Der am 02.10.2018 berufene neu eingesetzte Premierminister Adel Abdul Mahdi hat Schweres zu leisten: Der Wiederaufbau des vom Daesh geschunden Landes stockt, Wasser-, Elektrizität- und Gesundheitsversorgung haben enorme Probleme, die Korruptionsbekämpfung geht nicht voran, die Arbeitslosigkeit steigt rasant und die (vor allem sunnitische) Frustration über die politischen „Eliten“ und eine allzu große iranische Einflussnahme entlädt sich in blutigen Protesten und Straßenkämpfen – und die Anzeichen mehren sich, dass der Daesh erneut erstarkt. Aber der Einfluß Irans ist ins Stocken geraten.[7]
SYRIEN
Seit Ausbruch des syrischen „Bürgerkriegs“ unterstützt der Iran zudem Assad im Kampf gegen seine aufständische Bevölkerung – mit allen Mitteln. Die Al Quds Spezialeinheit der IRGC unter Führung von Generalmajor Soleimani steuert von Damaskus aus nicht nur die militärischen Initiativen Irans in Syrien und koordiniert die Einsätze des syrischen und russischen Militärs mit seinen Truppen und seiner Milizen, die überwiegend aus ehemaligen Afghanistan-Kämpfern bestehen, sondern agiert in Damaskus auch zunehmend politisch[8] – und taucht nun als zentrale Schlüsselfigur in den Verhandlungen um die katarischen Geiseln auf.
LIBYEN
Der Iran versuchte seit Jahren, den amerikanischen Einfluss in Nordafrika einzudämmen und die Wirren im sog. „Arabischen Frühling“ schienen ein geeigneter Moment zu sein. Inzwischen scheint gesichert, dass Generalmajor Quassem Suleimani die mächtige Figur im Hintergrund des Anschlags auf das US-Konsulat in Benghazi/Libyen in 2012 durch die libysche Terrorgruppe Ansar al-Sharia war. Telefonüberwachungen bestätigten, dass er auch für die Ermordung des US-Botschafters Christopher Stevens verantwortlich war.[9] Besonders perfide daran war, dass die Kidnapper sich als Ärzte und Sanitäter des Islamischen Roten Halbmondes tarnten.[10]
Der Panarabische TV-Sender Al-Arabiya berichtete über die Ermordung von zwei iranischen Militär-Beratern im Juni 2018, die von Tunesien nach Lybien einreisten, um dort angeblich Uran zum Zwecke der Anreicherung zu kaufen bzw. um über in Libyen operierenden pro-iranische Milizen Zugang zu libyschen Uranminen zu erhalten.[11]Israelische Mossad-Agenten sollen die Aktivitäten nicht nur observiert haben sondern werden auch verdächtigt, die Liquidierung durchgeführt zu haben. Israel hatte im Februar berichtet, dass iranische Milizen von Syrien aus mit Drohnen direkt angegriffen haben. Die Drohnen seien mit Sprengmitteln ausgestattet. Nach dieser Drohnenattacke reagierte Israel mit einem direkten Luftangriff auf eine iranische Stellung in Syrien, bei dem sieben iranischen Soldaten ums Leben kamen. Nachdem sich derartige militärische Auseinandersetzungen häufen, und die Qualität der Drohnenangriffe sich steigert, scheint sich die Zeit der Stellvertreterkriege ihrem Ende zuzuneigen, es drohen direkte Auseinandersetzungen, zumindest zwischen dem Iran und Israel,[12] wie der israelische PM Netanyahu Anfang November 2018 in München auf der Sicherheitskonferenz demonstrierte.
Vor diesem Hintergrund sind die jüngsten Warnungen vor iranischen Agenten in Europa durchaus ernst zu nehmen. Zwei Anschläge auf exil-iranische Oppositionelle in Dänemark und in Frankreich konnten verhindert werden. In Frankreich sollte ein Sprengstoffanschlag auf die Großkundgebung der Exil-Iraner in Villepinte bei Paris durchgeführt werden, 25.000 Teilnehmer waren in Lebensgefahr.[13] Geheimdienstinformationen vereitelten dieses Attentat, mehrere Verdächtige konnten in Belgien und Frankreich festgenommen werden. Dabei konnten auch 500g des Sprengstoffs TATP und eine Zündvorrichtung sichergestellt werden, die in Luxemburg übergeben worden waren.
In den Niederlanden wurde im November 2017 ein iranischer Aktivist in Den Haag vor seiner Haustür erschossen.[14] Die Familie des Ermordeten lebt seitdem unter Polizeischutz. Zusammenhänge mit einem Auftragsmord, der sich zwei Jahre zuvor in Amsterdam ereignete werden überprüft.
Auch in Deutschland waren iranische Agenten aktiv, spähten jüdische und israelische Anschlagsziele, darunter auch Kindergärten (!), aus[15] und erstellten sogar ein Bewegungsprofil eines Politikers. Die ersten Hinweise gab der israelische Geheimdienst Mossad, polizeiliche Ermittlungen und mehrere Durchsuchungen bestätigten den Verdacht, dass schiitische Terrorzellen aufgebaut und Anschläge durchgeführt werden sollten[16]. Iranische Oppositionelle, wie z.B. Mina Ahadi, die gegen die Todesstrafe im Iran und für Frauenrechte kämpft[17], stehen unter Polizeischutz, werden vom Iran als „Terroristen“ dargestellt und auf deutschem Boden von Mitarbeitern des iranischen Nachrichtenministeriums „MOIS“ (Ministry of Intelligence and Security) überwacht und bedroht. Mit der Festnahme von Asadollah Assadi, eines „Mitarbeiters“ der iranischen Botschaft in Wien, am 06.07.2018 an einer bayerischen Autobahnraststätte wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit und Verabredung zum Mord[18] haben sich die Warnungen internationaler Analysten bestätigt: Der iranische Staatsterror ist global virulent und nur im internationalen Verbund aller Sicherheitskräfte zu bekämpfen. Ihm sollte europaweit die rote Flagge gezeigt werden.
Endnoten:
[1] https://thearabweekly.com/leaked-messages-point-big-qatari-ransom-payouts-terrorist-groups vom 22.07.2018
[2] Mitteilung Syrian Observatory for Human Rights, Reuters 28.03.2017 unter Berufung auf die maßgebliche Rebellengruppe Ahrar al-Sham
[3] https://www.nytimes.com/2018/03/14/magazine/how-a-ransom-for-royal-falconers-reshaped-the-middle-east.html
[4] https://www.handelsblatt.com/politik/international/emirat-am-persischen-golf-tomaten-und-gurken-aus-der-wueste/20057128-3.html vom 13.07.2017
[5] Nachdem die Presse weltweit berichtete, dass das Iran-Embargo mit Wirkung vom 16.01.2016 „aufgehoben“ worden sei, ist es an der Zeit dies zu berichtigen: Das Embargo wird nach dem Wiener Iran-Abkommen bis zum Oktober 2023 (bzw. bis zum Oktober 2025) fortbestehen; Zum Implementation-Day vom 16.01.2016 kam es nur zu einigen Erleichterungen bei den Güter- und Personen-Listen. Das EU-Embargo gilt immer noch i.d.F. der VO 267/2012 mit den Änderungen in 2015 und 2016.
Hierzu Vertiefend: https://hohmann-rechtsanwaelte.de/iran-embargo.html?gclid=EAIaIQobChMIm-qUmuDi3gIVjOR3Ch3FggH_EAAYASAAEgLoePD_BwE
[6] https://www.usip.org/publications/2018/09/sarhang-hamasaeed-iraqs-government-formation
[7] http://www.atlanticcouncil.org/blogs/iransource/iran-can-t-fulfill-its-hopes-of-a-shia-corridor-without-iraq, 11.10.2018
[8] https://www.usip.org/publications/2018/05/iraq-prepares-elections-irans-influence-looms-large
[9] „Dark Forces – The Truth about what happened in Benghazi“, by Kenneth R. Timmermann
[10] https://nypost.com/2014/06/20/how-irans-spy-chief-paid-for-the-benghazi-attack/
[11] https://www.jns.org/report-mossad-agents-assassinated-iranian-advisers-in-libya/ vom 05.06.2018 u.a.
[12] https://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-5279081,00.html vom 04.10.2018
[13] SPON vom 02.07.2018, siehe: http://www.spiegel.de/politik/ausland/paris-mutmasslicher-terroranschlag-auf-25-000-exil-iraner-vereitelt-a-1216287.html
[14] Reuters 12.12.2017, siehe: https://www.reuters.com/article/us-netherlands-iran-shooting/be-careful-murdered-iranian-activists-daughter-tells-european-exiles-idUSKBN1E61KX
[15] Mena-Wtch v. 19.01.2018m siehe https://www.mena-watch.com/deutschland-iranische-agenten-spionierten-juedische-anschlagsziele-aus/
[16] https://www.timesofisrael.com/iranian-spies-in-germany-targeted-israel-embassy-jewish-kindergartens-report/
[17] BILD vom 09.11.2018 „Plant das iranische Regime eine neue Mordwelle in Europa?“
[18] http://www.generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?newsid=781vom 11.07.2018
0 Kommentare