In meiner letzten Kolumne hatte ich die Problematik des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen thematisiert. Im Rückblick muss ich eingestehen, dass ich dieses Thema eher nur angerissen habe. Eigentlich müsste man hierzu ein mehrbändiges Werk darüber schreiben. Allein der Abschlussbericht der Reformkommission zum Sexualstrafrecht vom 19.07.2017 umfasste 1.400 Seiten. Es ging auch nur darum, das Thema überhaupt wieder einmal in das öffentliche Bewusstsein zu rücken, denn die öffentliche Aufmerksamkeitsspanne ist sehr gering. Zu schnell ging nach 2010 der „Missbrauchsskandal in Einrichtungen“, bei dem mehrere zehntausend Betroffene ihre Opfererlebnisse meldeten, in Vergessenheit. Und es geht auch darum, zu verdeutlichen, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen nur ein Teil eines widerlichen Ganzen ist. Auch Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, Kindesvernachlässigung, Kinderhandel und die Tötung von Kindern und Jugendlichen gehören zu diesem Gesamtkomplex – einschließlich ritueller Tötungen, oder Tötungen zur Organentnahme, deren Existenz kam mehr zu leugnen sind.
Gewalt gegen Kinder und Jugendliche
Als Angehöriger einer Generation, die zuweilen auch selbst eine Erziehung der „harten Hand“ erfahren hatte, dauerte es einige Zeit, um aus der kriminalistischen Praxis zu lernen, dass Anschreien, Androhen körperlicher Strafen, Ohrfeigen, Schlagen, Treten, dass Gewalt immer Gewalt gebiert. Somit irrt auch Goethe, wenn er dem ersten Teil seiner Selbstbiografie das Motto des von ihm verehrten Griechen Menander voranstellte: „Der nicht geschundene Mensch ist nicht erzogen“. Vernachlässigende, sehr strenge oder aggressive Erziehung geht aber meist nach hinten los und löst oft einen diffizilen „Komplex kaskadenartiger Prozesse“ aus, wie Kinderpsychologen es ausdrücken. Gerade bei Kindern kann sie psychische Deprivation, Hospitalismus, nichtorganische Gedeihstörungen oder Beeinträchtigung der emotionalen Intelligenz hervorrufen.
Kinder und Jugendliche, deren Bedürfnisse nicht durch ihre primären Bezugspersonen erfüllt werden, orientieren sich dann ersatzweise vermehrt an peer groups (Gleichaltrige, Freunde), brechen dafür bewusst Regeln und rutschen so in strafrechtlich relevante Verhaltensmuster hinein (gesteigerte Aggression, Anomie, Kriminalität und frühes Sexualverhalten). Gegenwartsorientiertes Verhalten geht dann zulasten zukunftsorientierter Bildungsziele.[1] Immerhin dauerte es noch bis 2000, bis der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung verabschiedete.[2]
Jedoch noch ehe die ersten Früchte der Präventions- und Interventionsprogramme in Form einer Abnahme gewaltbezogener Jugendkriminalität so richtig geerntet werden konnten, kam es in Zuge der meist irregulären Migration meist gewaltsozialisierter Jugendlicher, Heranwachsender und Jungerwachsener sowie mittelfristig auch durch gewaltorientierter, paternalistischer Erziehungsmodelle im Migrationsmilieu eher zu einer Lageverschärfung, die voraussichtlich auch weiter zunehmen wird. Die letzte Welt Am Sonntag berichtete von einer ihr exklusiv vorliegenden Sonderauswertung des BKA. Danach waren von Anfang 2015 bis Ende 2019 im Deliktsbereich gefährlicher oder schweren Körperverletzung von 735.134 Tatverdächtigen 95.282 Asylzuwanderer (13,3 Prozent), das heißt, jeder achte war Kontingentflüchtling, Asylbewerber, Schutzberechtigter oder Geduldeter. In der schwersten Deliktskategorie Mord und Totschlag lag ihr Anteil sogar bei 14,9 Prozent. Dabei beträgt der Anteil der Asylzuwanderer nur ein Fünfzigstel (1,61 Millionen[3]) der deutschen Bevölkerung. Damit sind sie bei schweren Gewalttaten deutlich überrepräsentiert, Tendenz: steigend!
Die von manchen, stets beschwichtigenden Kriminologen vorgebrachten Erklärungsansätze für diese Überrepräsentanz, nämlich die hohen Anteile von Männer und das jüngere Alter bei den Asylzuwanderern (18 bis 29 Jahre), erklärt das Phänomen nur zu einem geringen Teil. Bei einem direkten Vergleich junger Männer mit und ohne deutschem Pass bleibt die deutliche Überrepräsentanz der Asylzuwanderer bestehen. Sozio-kulturelle kriminogene Faktoren scheinen also doch bedeutsamer zu sein als Geschlecht und Alter.
Gewalt gegen Kinder
Gewalt gegen Kinder ist nicht nur eine besonders schwere Form der Verletzung des Kindeswohls, das von Art. 3 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention geschützt ist, sondern ein besonders widerliches Gewaltdelikt, weil es sich die Schwächsten unserer Gesellschaft, die Schutzbedürftigsten zum Ziel macht, welche die geringste Beschwerdemacht und realiter die wenigsten (politischen) Fürsprecher hat.
Unter diesem Begriff werden (neben dem sexuellen Missbrauch) alle sonstigen physischen, aber auch psychischen Gewaltakte und die Kindesvernachlässigungen erfasst, das heißt: emotionale,[4] kognitive[5], körperliche oder medizinische Vernachlässigung, unzureichende Versorgung oder Beaufsichtigung (letztere die wohl am häufigsten vorkommenden Formen der Tatbegehung). Darunter fallen dann auch alle Fälle von Anschreien, Einschüchterung, Beleidigung, Missachtung, Verhöhnung, Mobbing, Drohung oder sonst liebloser Betreuung eines Kindes oder eines Jugendlichen. In der Realität kommen die verschiedenen Formen nicht alleine vor, sondern werden vielmehr in komplexen Mischformen beobachtet. Bei erster Analyse einiger bevölkerungsrepräsentativer Studien der Kinder- und Jugendpsychiatrie zeigt sich, dass insbesondere belastende Kindheitserlebnisse wie elterliche Trennung oder Scheidung, emotionale Vernachlässigung und Drogenprobleme in der Familie Hauptursachen für die psychische Gewalt waren[6].
Aus der Fachliteratur ist aber auch sonst Bestürzendes zu erfahren: Über Formen, Dauer oder Intensität der ausgeübten Gewalt, über Langzeitfolgen der seelischen und körperlichen Grausamkeiten, die an den Kindern oder Jugendlichen begangen wurden, über Versagen der Kontrollinstanzen, über ein föderal zerfledderte Bild einer Kindswohlvorsorge, die ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird, aber auch über eine Vielzahl von Einzelinitiativen und Programmen, die einer wissenschaftlichen Meta-Analyse harren. Fallzahlen erscheinen nur sporadisch in einigen Studien, eine zentrale oder wenigstens länderspezifische Erfassung existiert nicht.
Hilfe statt Verfolgung
Aus der Polizeilichen Kriminalstatistik sind gesicherte Fallzahlen oder eindeutige Erkenntnisse nicht zu erwarten, denn diese Fälle werden nur selten angezeigt, insbesondere wenn es sich um psychische Gewalt handelt, oder sie werden gar nicht gesondert erfasst. Im Gegenteil: Das vom Familienministerium geförderte Handbuch Kindeswohlgefährdung[7] weist die Mitarbeiter von den Jugendämtern und des Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) an, die Polizei erst als ultima ratio zu informieren und sie auch nur dann einzuschalten, wenn der Erfolg der eigenen Tätigkeit nicht gefährdet wird. Obwohl Kindesmisshandlung ein Offizialdelikt ist, wird es nur dann strafrechtlich verfolgt, wenn auch eine Strafanzeige durch die für den Kinderschutz zuständigen Behörden bei den Strafverfolgungsbehörden erfolgt. Das ist zumindest eine staatlich-schizoide Haltung gegenüber Fällen von Gewalt in Familien, in Einzelfällen geradezu bedingt vorsätzliche Kindswohlgefährdung, zumal die bekannt gewordenen Fälle zeigen, dass die Jugendämter sich allzu häufig bei der Kindswohlgefährdung überfordert zeigen.
Das Konzept „Hilfe statt Strafe“ ist schon lange als gescheitert anzusehen, das verfassungsrechtliche „staatliche Wächteramt“ ist nur noch ein tönerner Riese.
„Frischfleisch“ vom Jugendamt
Dass Berliner Jugendämter getreu der Berliner Kentler-Pädagogik[8] jahrzehntelang Pflegekinder in die Obhut von pädosexuellen Pflegevätern gaben, die das Pflegegeld kassierten und als „Verbrecher ohne Opfer“ jahrelang die ihnen auf Gedeih und Vererb anvertrauten Opfer demütigten, schlugen, und sexuell missbrauchten, ohne dass den Opfern bis heute geholfen wird, ist eines Rechtsstaats nicht würdig. Das ist staatlich geförderter Sexualdarwinismus, wie er auch von den Grünen[9], vereinzelt auch von den Linken und den Liberalen, propagiert wurde und der mit der jahrelangen Forderung der ersatzlosen Streichung des § 176 StGB seinen Kulminationspunkt fand.
Auch ein nordrhein-westfälisches Jugendamt führte jahrelang einem kriminellen pädosexuellen Campingplatzbewohner in Lügde „Frischfleisch“ für dessen pädosexuelles Netzwerk zu. Innenminister Reul sprach bereits früh von „Behördenversagen an allen Ecken und Kanten“.
Im Missbrauchs-Skandal von Köln ermittelte die Soko „Berg“ bislang über 70 Tatverdächtige und 44 Opfer im Alter von drei Monaten bis 14 Jahren, die teilweise von ihren eigenen Vätern missbraucht wurden, und stellte nach aktuellem Stand 85 Terabyte an Videos und Fotos sicher. „34.000 Aktenschränke voll mit menschlichem Abgrund“ (Welt, 24.05.2020).
Was geschieht dann unter der Oberfläche solcher Skandale? Sind sechs Siebtel davon unsichtbar, wie bei einem Eisberg? Pädophile und homosexuelle Pädagogen waren seit den 1970er Jahren federführend in dem öffentlichen Diskurs über die Diskriminierung Homosexueller und setzten geschickt Pädophilie (Sex mit nicht geschlechtsreifen Kindern) mit Päderastie (Sex mit minderjährigen Jugendlichen) gleich. In der Fachzeitschrift „betrifft: Erziehung“ wurde 1973 sogar offen die Frage gestellt: „Schadet es Kindern, wenn über Sexualität zwischen Erziehern und Erzogenen nicht nur gesprochen wird?“ Wen wundern dann noch solche Auswüchse als Langzeitfolge einer verfehlten Sexualpolitik?
Das Dunkelfeld ist riesig
Die ganz überwiegende Zahl der Fälle von psychischen Kindesmisshandlungen und -vernachlässigungen wird aber weder den Jugendämtern noch der Polizei bekannt. Die betroffenen Kinder bleiben weitgehend schutzlos. Initiativen zur Einführung von Pflicht-Früherkennungsuntersuchungen[10] (als Teil der U- und J-Untersuchungen), um damit die gröbsten Vernachlässigungen zu vermeiden bzw. sie zu entdecken, konnten sich nicht durchsetzen. Föderalismus und damit verbundene uneinheitliche Begrifflichkeiten und Regularien, sowie übertriebener Datenschutz verwässern das Vorsorgesystem.
2009 wurde teilweise mit der Einführung des Erinnerungs- und Meldeverfahrens „Aktion Gesunde Kinder“ und der Schuleingangsuntersuchung bei der U9 zwar generell eine kleine Besserung erreicht. Allerdings liegt die Quote bei Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache (91 %) deutlich unter dem Durchschnitt.
Die Kann-Vorschrift eines Besuchs des Jugendamtes bei „Versäumung“ einer Vorsorgeuntersuchung dürfte sich bei einer objektiven und wissenschaftlichen Untersuchung angesichts personeller Unterversorgung und fachlicher Überlastung der Jugendämter vermutlich eher als „Papiertiger“ herausstellen.
Dazu kommt, dass ein effektiver Datenaustausch mit klar geregelter Meldepflicht zwischen Hausärzten, Notaufnahmestellen in Kliniken, Krankenkassen, Schulen, Vereinen und Jugendämtern, ganz zu schweigen von der Polizei, keinesfalls besteht, oder allenfalls auf dem Papier und steht vor großen tatsächlichen oder vermeintlichen rechtlichen und sonstigen Hürden[11].Und ehrlich: Wer kennt schon groß die Nummer gegen Kummer www.nummergegenkummer.de, 0800-116111, wo junge Menschen Rat, Hilfe, Trost und Unterstützung finden sollen?
Da war die Kindswohlvorsorge der DDR doch weitaus besser organisiert.
(Der Beitrag wurde in der 43.KW bei hallo-meinung.de zuerst publiziert)
[1]Studie: Maryland Adolescent Development in Context“ (MADICS); https://srcd.onlinelibrary.wiley.com/toc/14678624/0/0
[3] Ausländerzentralregister, Ende 2019
[4] mangelnde positive Zuwendung und Feinfühligkeit etc.
[5] Reizmonotonie bzw. Überflutung mit unangemessenen Reizen, fehlende Beachtung des Erziehungsbedarfs oder eines speziellen Förderbedarfs etc.
[6] Für die Erfassung belastender Kindheitserlebnisse steht eine deutschsprachige Version des Adverse Childhood Experiences (ACE) Fragebogens zur Verfügung. Zur Vertiefung: https://www.uniklinik-ulm.de/fileadmin/default/Kliniken/Kinder-Jugendpsychiatrie/Dokumente/PK_Factsheet_Fegert_1_Praevalenz.pdf
[7] file:///Users/Uwe/Downloads/ASD_Handbuch_Gesamt.pdf
[8] Der Psychologe, Sexualwissenschaftler, Professor für Sozialpädagogik, Gutachter für den Berliner Senat und mehrere Jugendämter Helmut Kentler setzte sich für die Legalisierung von Sex mit Minderjährigen ein. Kentler war persönlich bekannt mit dem mittlerweile verstorbenen Pflegevater und Sexualstraftäter Fritz H., der den Berliner Skandal betraf. Er verstarb 2008. Die taz bezeichnete ihn in ihrem Nachruf als „verdienstvollen Streiter für eine erlaubende Sexualmoral“.
[9] Theodor-Heuss-Preisträger und Grünen-Politiker Cohn-Bendit & Co: Noch 1988 forderte der damalige parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, in einem Beitrag für die Pädosexuellen-Streitschrift „Der pädosexuelle Komplex“ eine „Entkriminalisierung der Pädosexualität“.
[10] https://www.deutschlandfunk.de/berlin-jugendaemter-vermittelten-pflegekinder-an-paedophile.1769.de.html?dram:article_id=463892
[11] Bund Deutscher Kriminalbeamter: https://www.fachstellekinderschutz.de/files/02_Kinderschutzpartner/Polizei/Brosch%C3%BCre_Kindesmisshandlung_01.compressed.pdf
0 Kommentare